Beitrag 5, Oktober 2018:
In einem mehrgeschossigen Neubau in Berlin-Friedrichshain entstehen ca. 50 Eigentumswohnungen. Im Sommer 2018 ereignete sich in der Bauphase ein Starkregenfall. Zu diesem Zeitpunkt waren die sogenannten Trockenbauwände hergestellt sowie die schwimmenden Heizestriche bis auf die Bäder. Zufällig war ich genau an diesem Tag zur regelmäßigen Baukontrolle mit zwei Erwerbern anwesend. In ihre Erdgeschosswohnungen drang das Regenwasser von oben durch die Installationsschächte ein.
Trockenbauwände: Metallständerwerk mit Dämmplatten im Hohlraum und Gipskartonbekleidung. Die Metallständer, Dämmplatten und Gipskartonbekleidungen reichen bis auf die Rohdecke hinab. Das bis zur Rohdecke vorgedrungene Wasser konnte die Bauteile der Innenwände durchfeuchten.
Schwimmender Heizestrich: Unterbodenplatte, die auf weichen Trittschalldämmplatten aufliegt. Über die Randfugen (in Bildern blaue Streifen) des Estrichs konnte das auf dem Estrich stehende Wasser bis zur Rohdecke laufen und dadurch die porösen Trittschalldämmplatten durchnässen.
Am Tag des Ortstermins erstellte ich meinen Bericht mit Fotos und empfahl sofortige Maßnahmen. Kurz danach hieß es in einer E-Mail des Verkäufers zum Umgang mit dem Wasserschaden u. a.:
„Wir bedauern, dass es zu dem Regenwasserschaden gekommen ist und werden folgende Maßnahmen ergreifen, die die Schäden, die das Wasser angerichtet hat, vollständig beseitigen werden.“
Mein Rat an die beiden Erwerber, die Maßnahmen vor Ort zu kontrollieren, wurde nicht aufgegriffen. Beim nächsten Baustellentermin ca. 8 Wochen später stand in einem Raum ein Trocknungsgerät und es war am Sockel der Gipskartonbeplankung der Trockenbauwände ein Schimmelbefall festzustellen.
In der Folge entstanden zunächst wichtige Klärungsgespräche mit den Erwerbern und dem Verkäufer. Dabei wurde klar, dass die Schadenssanierung kostenaufwändig und bauzeitverzögernd sein würde.
Mein Kommentar als Bausachverständiger
Die Vertreter Verkäufers (Projekt-/Bauleiter) informierten im Gespräch über den bisherigen Verlauf. Ca. 5 Wochen nach dem Wasserschaden hatte ein Fachunternehmen Trocknungsgeräte aufgebaut. Ca. 3 Wochen danach wiesen die Messwerte von Feuchtemessgeräten der Fachfirma in den Randfugen des schwimmenden Estrichs am Übergang zur Trockenbauwand einen trockenen Zustand aus.
Die Frage, die sich für die Beteiligten stellte war: Ist damit alles in Ordnung oder was passierte noch? Die Antwort ist: Bis zum Aufbau der Trocknungsgeräte konnte sich bereits ein Schimmelbefall bilden.
Bei dem nächsten Ortstermin stellte ich aktiven Schimmelbefall fest und vermutete passiven Befall.
1. Begriffsklärungen
Trocknungsgeräte: Diese Geräte dienen zur Trocknung von Unterböden aus schwimmendem Estrich. Sie werden in den Räumen aufgestellt, große Geräte können gleichzeitig mehrere Räume trocknen. Über Luftschläuche, die zur Raummitte führen, wird warme Luft unter die Estrichschicht in die Ebene der Trittschalldämmung eingeblasen, welche über die Randfugen des Estrichs in den Raum wieder austreten und dabei zugleich die Feuchtigkeit „mitnehmen“ soll. Anschließend wird die feuchte Luft gesammelt und aus dem Raum entfernt. Das Verfahren ist in Fachkreisen als eine geeignete Trocknungstechnik anerkannt. Allerdings muss ein Trocknungsverfahren sofort nach dem Schadenseintritt eingeleitet werden, weil ansonsten erfahrungsgemäß nach ca. 5 bis 7 Tagen Schimmelbefall auftritt. Danach ist allenfalls eine Bauteiltrocknung möglich, eine Schimmelbeseitigung hingegen nicht mehr.
2. Technische Sachverhalte
Passiver (trockener) Schimmelbefall
Auch wenn o. g. Trocknungsmaßnahmen sofort und gründlich erfolgten, kann niemand ausschließen, dass sich ein Schimmelbefall bildet oder nach der Trocknung ein trockener Schimmelbefall verbleibt. Deshalb sind nach den Trocknungen raumweise Luftmessungen notwendig. Bei positivem Ausgang liegt mit großer Sicherheit kein Schimmelbefall vor. Bei einem negativen Ausgang ist von Fall zu Fall das technische Vorgehen zu klären. Erfolgen die Trocknungsmaßnahmen so spät wie in diesem Fall (ca. 5 Wochen nach Wasserschaden), ist anzunehmen, dass ein passiver Schimmelbefall vorliegt.
Aktiver Schimmelbefall
Beim zweiten Ortstermin stand in einem Raum ein Trocknungsgerät, mit Schläuchen die zur Raummitte dieses Raums und in andere Räume führten. Das Gerät war nicht in Betrieb, der Bauteilzustand war unklar. Im Sockelbereich der Wände in mehreren Räumen gab es einen aktiven Schimmelbefall.
Im Nachlauf teilte der Verkäufer per E-Mail mit: „Unsere Bauleitung hat uns heute bestätigt, dass die Trocknung im hinteren Teil Ihrer Wohnung fortgeführt wird. Das Gerät läuft wieder!“ Solch eine Information deutete darauf hin, dass zwischenzeitliche Trocknungsmessungen negativ ausgefallen waren.
Konsequenzen bei Schimmelbefall
Bei einem verbleibendem Schimmelbefall, egal ob passiv oder aktiv, müssen sich die Beteiligten darüber im Klaren sein, dass die Wohnung bei der späteren Bauabnahme nicht mängelfrei sein wird.
Ein Schimmelbefall ist nur durch die Erneuerung von Bauteilen zu beseitigen. Aus technischer Sicht müssen alle Bauteile mit Schimmelbefall erneuert werden. Dies gilt für den Fußbodenaufbau (einschließlich der Leitungen der Fußbodenheizung) und für die untere Zone der Trockenbauwände.
3. Rechtliche Aspekte
Vorbehaltserklärung
Meine Äußerungen zu den rechtlichen Aspekten stelle ich unter den Vorbehalt, dass ich diese nach einem kürzlich erfolgten Gespräch mit einem Juristen richtig aufgenommen und hier richtig wiedergegeben habe. Ich bin kein ausgebildeter Jurist und kann deshalb keine Rechtsfragen beantworten. Bei Bedarf muss ein Käufer einen Anwalt einschalten, bei der Suche kann ich ihm ggf. gerne helfen.
Abnahmeprotokoll
Der Wasserschaden dieser Größenordnung und insbesondere mit der Folge eines Schimmelbefalls ist im Abnahmeprotokoll festzuhalten. Das Ausmaß des Schadens (die gesamte Wohnung betreffend) ist näher zu beschreiben. Die vom Verkäufer danach ausgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.
Baumängel
Ein aktiver und auch ein trockener Schimmelbefall stellen Baumängel dar. Die Baumängel betreffen die Bauteilschichten des Bodens (schwimmender Estrich) und die der Wände (Trockenbauwände).
Schadensersatz und Minderung
Ein aktiver Schimmelbefall darf natürlich nicht in der Wohnung verbleiben, er muss beseitigt werden. Falls davon auszugehen ist, dass ein trockener Schimmelbefall vorliegt, weil nicht alle betroffenen Bauteile erneuert wurden, ist im Abnahmeprotokoll eine Schadensersatzforderung vorzubehalten. Eine Minderung des Kaufpreises ist möglich (die Regel), weil ein Restrisiko nicht auszuschließen ist.
Mitteilungspflicht
Der Verkäufer (aktueller Erwerber) muss dem späteren Käufer den alten Wasserschaden und die Art der erfolgten Mängelbeseitigung mitteilen. Ein Wasserschaden dieser Größenordnung darf nicht verschwiegen werden, denn es waren vermutlich alle Unterböden und alle Trockenbauwände betroffen.
Merkantiler Minderwert
Beim Wiederverkauf ist von einem „merkantilen Minderwert“ auszugehen. Wenn die Bauteile nicht erneuert wurden, liegt ggf. ein trockener Befall vor. Dieses führt in der Regel zum Kaufpreisabschlag.