Beitrag 6, Oktober 2018

Eine WEG streitet über die Verteilung von Instandhaltungskosten nach dem Dachgeschossausbau

    Beitrag 6, Oktober 2018:

    Eine seit 2006 bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) aus etwa zehn Erwerbern von Eigentumswohnungen traf sich zu ihrer ordentlichen (jährlichen) Eigentümerversammlung (ETV).
    Das gemeinsam bewohnte Objekt ist ein typischer mehrgeschossiger Altbau in Berlin-Steglitz, bei dem 2007 das Dachgeschoss ausgebaut wurde und erste Instandhaltungsmaßnahmen erfolgten.

    Einer der Eigentümer informierte die (neue) Hausverwaltung über das jahrelange Streitthema zur Kostenverteilung von Instandhaltungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Dachgeschossausbau. Danach gefragt, ob er dafür ein Bespiel benennen könne, führte er den sanierten Dachkasten auf.
    Im Laufe der Jahre blätterte die Farbe ab, demzufolge musste 2017 der Anstrich erneuert werden.

    Dachkasten: Unterseitige (Holz-)Bekleidung des über die Fassadenfront hinausragenden Dachstuhls

    In der Teilungserklärung (TE), speziell im Gemeinschafts- und Verwaltungsvertrag (GuV) ist geregelt, dass die Dachgeschosseigentümer einerseits weitgehende Freiheiten beim Dachausbau haben, andererseits aber die Kosten für zukünftige Instandhaltungsmaßnahmen am Dach übernehmen müssen. Juristen prüften, dass die Regelung zwar ungewöhnlich, aber grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.

    Während einige Eigentümer die Meinung vertraten der Dachkasten gehöre zum Dach, waren andere der Auffassung, er sei ein Bestandteil der allgemeinen Gebäudeteile des Gemeinschaftseigentums. Weil man sich nicht einigen konnte, erfolgte ein Mehrheitsbeschluss zur allgemeinen Kostenumlage. Zähneknirschend akzeptierten die unterlegenen Eigentümer ihn, um den Hausfrieden zu erhalten. Alternativ hätte es die Möglichkeit gegeben, den Beschluss über eine Klage bei Gericht anzufechten.

    Auf Empfehlung der alten Hausverwaltung beschloss die WEG außerdem, den Juristen einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen, für die WEG einen Fragenkatalog zur Abgrenzung von Dachgeschossbauteilen gegenüber den allgemeinen Bauteilen des Gebäudes zu beantworten. Der Jurist beantwortete von fünf Fragen drei plausibel, eine weitere widersprüchlich und eine Frage gar nicht, er hatte stattdessen Rückfragen. Die WEG beschloss 2017, das Thema nicht mehr zu verfolgen.

    Die neue Hausverwaltung bewertete den Ansatz, die juristische Auskunft weiterzuverfolgen, negativ. Sie verwies darauf, dass auch ein Beschluss auf der Basis der juristischen Auskunft anfechtbar wäre. Die Mehrheit der Eigentümer wollte die Instandsetzungsfälle selbst bewerten und Beschlüsse fassen. Im Zweifelsfall nahmen sie eine Anfechtung dieser Beschlüsse über eine Klage bei Gericht in Kauf.

    Mein Kommentar als Bausachverständiger

    1. Begriffsklärung

    Eine Internetrecherche zu dem Begriff Dachkasten im Portal „Wikipedia“ (15.09.2018, 22:08) ergab: „Ein Dachkasten (fachlich: Gesimskasten) ist ein Bauteil an einem Hausdach, das den Zwischenraum zwischen dem traufseitigen Dachüberstand und der Außenwand eines Gebäudes schließt.“

    Dieser Auslegung schließe ich mich an, denn ohne einen Dachüberstand gäbe es keinen Dachkasten. In dem vorliegenden Fall geht es um ein Steildach mit einem ausgeprägten, breiten Dachüberstand. Diese aus der Berliner Gründerzeit stammende Konstruktionsart gehört zweifelsfrei nur zum Dach.

    2. Teilungserklärung

    In der mir vorliegenden Teilungserklärung ist der Begriff des Dachkastens nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings sind auch viele andere Begriffe für Dachbauteile nicht aufgeführt, das ist aber häufiger so.

    Es kommt aus meiner Sicht darauf an, was in der Teilungserklärung sinngemäß gemeint sein dürfte. Ich interpretiere die Teilungserklärung so, dass einerseits besonders weit gehende Rechte der Dachgeschosseigentümer zum Dachausbau andererseits besonders weitgehende Pflichten zur Kostentragung gegenüberstehen, die der Verfasser in einem insgesamt ausgewogenen Verhältnis sehen wollte. Ob ihm das angemessen gelungen ist, ist eine ganz andere Frage, die ggf. vor Gericht zu klären wäre.

    3. Vorschlag der alten Hausverwaltung

    Der Vorschlag der alten Hausverwaltung an die WEG, sich eine juristische Hilfestellung bei der Auslegung der Teilungserklärung zur Abgrenzung der Dachbestandteile zu den anderen Bauteilen des Gemeinschaftseigentums zu holen, ist aus meiner Sicht weiterhin ein möglicher Weg zur Befriedung.

    Auch wenn der Jurist bisher eine Frage widersprüchlich antwortete und zu einer anderen Frage noch Rückfragen stellte, hätten die Eigentümer der WEG insgesamt einen großen Nutzen erzielen können. Ebenfalls wäre es sinnvoll gewesen, wenn der Jurist einen Bausachverständigen hinzugezogen hätte, um mit ihm fachspezifischen Begriffe zu klären und genaue bauspezifische Zuordnungen zu treffen.

    4. Bewertung der neuen Hausverwaltung

    Die Bewertung der neuen Hausverwaltung weist auf die grundsätzliche Möglichkeit hin, dass jeder Beschluss einer WEG durch eine Klage bei Gericht angefochten werden kann (Anfechtungsklage).

    Angesichts der beschlossenen Bemühungen der WEG um eine Befriedung durch eine außergerichtliche juristische Klärung ist die Bewertung der neuen Hausverwaltung wenig hilfreich und zielführend. In der Folge sind der nächste problematische Mehrheitsbeschluss und eine Anfechtung zu erwarten. Jeder Eigentümer für sich und die WEG insgesamt, sollten die Vor- und Nachteile erneut abwägen.

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